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Kennzahl: 1844

Streifzug durch die jüngere saarländische Wirtschaftsgeschichte

Kohle und Stahl machten die Saar-Region zu einem der führenden Industriegebiete Europas. Heute ist davon nur noch ein relativ schmales, aber höchst innovatives Stahlsegment übrig. Industrielle Leitbranche ist inzwischen der Fahrzeugbau. Er hat dem Land neues industrielles Leben eingehaucht und einen dynamischen Aufholprozess initiiert.

Das Saarland trat 1957 als elftes Bundesland der Bundesrepublik Deutschland bei. Erst seitdem existiert es als uneingeschränkt selbständige politische Einheit. Davor stand es über weite Strecken seiner jüngeren Geschichte unter Fremdeinfluss. Mal waren es die Franzosen, dann die Preußen und Bayern, die an der Saar das Sagen hatten. Wirtschaftlich gereichte das der mangels eigener Staatlichkeit als „Saarrevier“ oder später „Saargebiet“ bezeichneten Region nicht unbedingt zum Schaden. So ebnete etwa Napoleons code civil, der während der „Franzosenzeit“ von 1792 bis 1814/15 eingeführt wurde und die positiven Errungenschaften der französischen Revolution kodifizierte, den Weg für neue gesellschaftliche und ökonomische Strukturen. Damit war der Boden für die alsbald einsetzende Industrialisierung bereitet.

Vom Agrarland zum Industrierevier

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die Landwirtschaft der dominante Erwerbszweig an der Saar. Die Region war arm, das Leben entbehrungsreich. Wer konnte, kehrte dem Land den Rücken und suchte sein Glück in anderen Gegenden. Die Auswanderungswelle wurde erst durch die zur Mitte des Jahrhunderts verstärkt einsetzende Industrialisierung und die Aussicht auf Lohn und Brot gestoppt. Zuwanderer aus den Nachbarregionen sowie die besseren materiellen und hygienischen Bedingungen führten in der zweiten Jahrhundertwelle zu einer regelrechten Bevölkerungsexplosion. Von 1863 – dem Gründungsjahr der Industrie- und Handelskammer des Saarlandes – bis 1900 stieg die Zahl der an der Saar ansässigen Menschen von gut 260.000 auf 512.000. Ähnlich rasant veränderte sich das Landschaftsbild. Schornsteine, Fördertürme, Hütten und sich immer weiter ausbreitende Arbeitersiedlungen gaben dem Land ein gänzlich neues Gesicht.

Die Schlüsselrolle in diesem Prozess spielte der preußische Staat. Er hatte nach dem Abzug der Franzosen 1815 die Gruben übernommen und wurde als „Kohlenmonopolist“ zum größten Arbeitgeber der Region und Marktführer im südwestdeutschen Raum. Durch die Einführung des Schachtbaus und maschineller Förderung konnte der Abbau im dritten Viertel des Jahrhunderts verachtfacht werden. Die Zahl der Bergleute stieg in dieser Zeit von 4.000 auf 22.000. Parallel hierzu machten auch die auf Kohle basierenden Eisen-, Glas- und Keramikindustrien eine stürmische Wachstumsphase durch.

Nach der Reichsgründung 1871 fielen große Teile von Elsaß-Lothringen an das deutsche Reich. Die saarländische Außengrenze verschob sich dadurch ein gutes Stück weit nach Westen. Befreit von der hemmenden Grenzlage eröffnete sich neuer Spielraum für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen in der Region. Erste Annäherungen gab es zwar schon, etwa in Form von Abbaukonzessionen für Minetteerze in Lothringen. Aber erst jetzt sollten saarländische Kohle und lothringische bzw. luxemburger Minette noch intensiver zusammenfinden. Der Hauptgrund dafür ist, dass mit der Erfindung des Thomasverfahrens 1878 die phosphorhaltige Minette im großindustriellen Maßstab verhüttet werden konnte. Das brachte der Stahlindustrie einen enormen Rationalisierungsschub und der Region einen noch größeren Auftrieb. Die saarländische Montanindustrie erreichte bei der Steinkohle- und Eisenproduktion schon bald Marktanteile von bis zu 20 Prozent und beschäftigte 1914 mehr als 100.000 Menschen. 1850 waren es gerade einmal 7.000 gewesen. Insgesamt lebten bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges an der Saar knapp 800.000 Menschen.

Ein Land findet sich

Durch den Versailler Friedensvertrag 1919 wurde das Saargebiet vom Deutschen Reich abgetrennt und unter die Verwaltung des Völkerbundes gestellt. Frankreich konnte sich mit seiner Forderung nach Annexion des Saarlandes zwar nicht durchsetzen, hatte dafür aber bei der Grenzziehung das entscheidende Wort. Nicht ganz uneigennützig wurde die Grenze so gezogen, dass die Industriereviere auch die umliegenden Wohn- und Einzugsgebiete der Arbeiter umfassten. Das so primär nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abgegrenzte Areal erhielt den Namen „Saargebiet“.

Wirtschaftlich hat das Land in dieser Zeit nicht die Kraft gefunden, neue industrielle Wege zu gehen. Kein Wunder: Denn mit dem Verlust lebenswichtiger Absatzmärkte und der Enteignung saarländischer Betriebsstätten in Elsaß-Lothringen wurde die Wirtschaftskraft der Saarwirtschaft deutlich geschwächt. Hinzu kam, dass der französische Staat als neuer Eigentümer der Saargruben seinen Einfluss auch auf die Saarhütten geltend machte. Das war nicht unbedingt von Vorteil. Während die Hochöfen an der Ruhr eine Leistungsfähigkeit von 800 Tonnen erreichten, produzierten die Saaröfen nur 150 bis 350 Tonnen.

Da die französische Verwaltung auch sonst kaum Vertrauen gewinnen konnte, nahm die antifranzösische Stimmung in der Bevölkerung stetig zu. Unter den Saarländern entwickelte sich dadurch ein immer stärkeres Gefühl der Zusammengehörigkeit. Es war deshalb nicht weiter überraschend, dass die gemäß Völkerbundstatut für 1935 vorgesehene Volksabstimmung mit überwältigender Mehrheit zugunsten der Rückgliederung an Deutschland ausging.

Als wollte sich die Geschichte wiederholen, ergab sich nach dem Zweiten Weltkrieg eine ähnliche Situation wie nach 1919. Das Saarland wurde wieder mit Frankreich verbunden und die Saarländer entschieden sich in einer erneuten Volksabstimmung, diesmal 1955, wieder für eine Rückkehr nach Deutschland. Im Unterschied zur Zeit nach 1919 hatten die Franzosen jetzt aber bei weitem nicht mehr die Machtbefugnisse wie damals. Und sie verhielten sich auch viel konzilianter. Sie unterstützen den Wiederaufbau und versorgten das Land in einer Zeit mit Nahrungsmitteln, als man in Deutschland noch hungerte. Schnell machte in den umliegenden Regionen das Wort von den „Speckfranzosen“ die Runde. Zudem sorgte die Kombination französischer Familien- und Kindergeldzahlungen mit dem deutschen Sozialversicherungssystem dafür, dass das Saarland die sozialpolitische Spitze Europas erklomm.

Vom Montanrevier zum Autoland

Nach der Rückgliederung behielt der Bergbau zunächst noch seine ökonomische Leitfunktion. Mit rund 60.000 Arbeitsplätzen hatte er nach wie vor eine herausragende Bedeutung für das Land. Und noch hielt das „schwarze Gold“, was sein Name verspricht. Doch dann begann ausgerechnet zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Rückgliederung die Zeit des billigen Öls und der günstigen Importkohle. Das war der Anfang vom Ende des Bergbaus an der Saar. Innerhalb einer Dekade halbierte sich die Beschäftigung. Grube um Grube musste schließen. Die Beschäftigung schrumpfte von Jahr zu Jahr. Der Bergbau wurde zum Auslaufbergbau, dessen Ende durch heftige Grubenbeben zum Schluss sogar noch beschleunigt wurde. Seit dem 30. Juni 2012 gibt es im Saarland keinen Bergbau mehr.

Dass es an der Saar dennoch aufwärts ging, lag vor allem an der saarländischen Stahlindustrie, die in den 60er Jahren von Erfolg zu Erfolg eilte und 1965 mit 43.000 Arbeitsplätzen ein Beschäftigungshoch erreichte. Sie profitierte dabei von der Hochkonjunktur in Deutschland und vom gemeinsamen Binnenmarkt in Europa. Doch Mitte der 70er Jahre wurde der Expansionskurs der Stahlindustrie durch den ersten Ölpreisschock jäh gestoppt. Die Stahlnachfrage brach regelrecht ein. Zudem machte den Hütten die Billigkonkurrenz aus Indien und den Ostblockstaaten zu schaffen. Die Beschäftigung in der Stahlindustrie fiel bis zum Ende der 70er Jahre auf 17.000. Gleichzeitig verschuldete sich das Land bis an die Grenze seiner Belastbarkeit, um mittels Soforthilfen das Schlimmste zu verhindern. Nachdem die Bundesregierung 1984 ihre Unterstützung versagte, musste die Landesregierung die gesamte Last allein tragen. Am Ende summierte sich der Aufwand auf fast 1,5 Milliarden DM. Die extreme Haushaltsnotlage des Saarlandes nahm damals ihren Lauf. Und dennoch war es richtig, die saarländische Stahlindustrie am Leben zu halten. Denn heute gehören die Dillinger Hütte und die Saarstahl AG zu den Aushängeschildern der Saarindustrie. Saarstähle sind als Grobbleche oder Langprodukte ob ihrer Qualität überall in der Welt gefragt. Zusammen beschäftigt die Branche derzeit rund 12.000 Mitarbeiter.

Als entscheidendes Plus im Strukturwandel sollte sich indes eine Weichenstellung der Politik aus den 60er Jahren herausstellen. Infolge der Bergbaukrise und der bundesweiten Rezession von 1966/67 forcierte die saarländische Landesregierung damals ihre Bemühungen, neue Firmen ins Land zu holen. Mit Erfolg: Den Auftakt machte der US-Autobauer Ford. Viele andere sind dem gefolgt. Und die meisten davon haben sich hervorragend entwickelt. Heute beschäftigt die Branche im Saarland direkt oder indirekt 45.000 Personen. Saarland gleich Autoland - diese Gleichsetzung unterstreicht mehr als alles andere die wirtschaftliche Bedeutung des Fahrzeugbaus für den kleinsten deutschen Flächenstaat.